Stillst du schon wieder? Warum beruhigst du dein Baby denn nicht mal anders? Deine Brust ist doch kein Schnuller!

Kommt dir das bekannt vor?

Ich bin Tanja, eigentlich Wissenschaftlerin im Bereich Humanbiologie, aber auch Mutter von drei Kindern und Stillberaterin. Solche Fragen bekam ich vor fast 10 Jahren zu hören, als ich mein erstes Kind entbunden hatte und versuchte eine funktionierende, harmonische Stillbeziehung aufzubauen, so wie ich es mir in der Schwangerschaft ausgemalt hatte. Allerdings verunsicherten mich diese Fragen und die unterschiedlichen Meinungen von Freunden, Verwandten, aber auch Hebammen und Kinderärzten. Sollte ich versuchen die Stillabstände auszudehnen? Hatte mein Kind vielleicht gar keinen Hunger und ich sollte es anders beruhigen? Würde es wirklich zu dick werden von all der Muttermilch?

Falls auch du dir diese Fragen stellst oder manchmal verunsichert bist durch die vielen Vorschläge, dann möchte ich dir hier ein paar Gedanken und Anregungen aus meiner Erfahrung als Mutter und Stillberaterin geben, was in dieser ersten Zeit deiner Stillbeziehung mit deinem Kind wichtig ist.

Vor gar nicht allzu langer Zeit wurden Babys nach der Uhr gestillt, alle vier Stunden. Es sollte dem Baby und auch der Mutter eine Struktur geben. Ein Plan mit festen Regeln ist oft eine Hilfe, weist einem den Weg und in einer Zeit, in der man sich in einer komplett neuen Situation wieder findet, ist es ein Trost, sich an etwas orientieren zu können, das funktioniert.

Aber funktioniert es wirklich?

Wenn wir überlegen, welche Bedürfnisse ein Baby in den ersten Wochen hat, dann ist da ein großes Bedürfnis nach Nähe, ein Bedürfnis nach Nahrung, ein Saugbedürfnis und ein Bedürfnis nach Schlaf. Diese Dinge auseinanderzuhalten ist gerade in den ersten Wochen, aber auch Monaten sehr schwer. Wenn das Baby weint, ist daher ein sehr bequemes Mittel alle Bedürfnisse auf einmal zu befriedigen und zwar mit der Brust. Das Baby hat dort alles, was es braucht. Unmittelbare Nähe zu dir, es spürt deinen Herzschlag, es bekommt Nahrung, stillt dabei sein Saugbedürfnis und findet entspannt in den Schlaf, durch die Hormone, die beim Stillen ausgeschüttet werden. Mit der Zeit wirst du ein Gespür dafür bekommen, was genau dein Baby gerade braucht, aber das kann eine ganze Weile dauern. Irgendwann merkst du, wenn es aus Frust weint, weil es etwas noch nicht kann, wenn es müde ist oder Hunger hat. Aber bis dahin ist es absolut in Ordnung deinem Kind immer die Brust anzubieten, wenn es weint. Es ist die All-inclusive Lösung.

Die allermeisten Babys weinen wesentlich öfter als alle vier Stunden, denn wann dein Kind ein Bedürfnis hat, richtet sich nicht nach der Uhr. Bestimmt hattest du auch schon einmal eine Situation, in der du nicht stillen konntest und hast ruhig auf dein Kind eingeredet und versucht es zu vertrösten. Nur noch eben die Einkäufe bezahlen, dann bist du dran. Das funktioniert meist in der ersten Zeit eher mittelmäßig bzw. einfach nur schlecht, denn Babys haben kein Zeitgefühl und daher auch keine Geduld. Indem die Bedürfnisse deines Kindes schnell befriedigt werden, baut es Urvertrauen auf. Hab keine Angst davor, dein Kind zu verwöhnen, oder ihm anzugewöhnen, seinen Willen durchzusetzen, weil du auf sein Bedürfnis reagierst. Zu berechnendem Verhalten sind die Gehirne von Säuglingen noch nicht in der Lage. Es lernt vielmehr, dass seine Bedürfnisse wahrgenommen und befriedigt werden. Ein festes Fundament für alle kommenden Beziehungen.

Und was, wenn nun doch kein Hunger hinter dem Weinen deines Kindes steckte und es ein ganz anderes Bedürfnis hatte?

Hast du dein Baby angelegt und es hat keinen Hunger, wird es die Brust nach einiger Zeit wieder loslassen, oder auch einschlafen, denn Saugen ist anstrengend. Davon können viele Mamas ein Lied singen, deren kleine Babys nicht genug Kraft haben zu Anfang lang und ausdauernd an der Brust zu trinken. Sollte dein Kind sein Bedürfnis nach Nähe oder sein Saugbedürfnis befriedigen wollen, dann spuckt es vielleicht die dabei aufgenommene Milch zu Teilen wieder aus. Aber lass dich beruhigen, es wird auf keinen Fall zu viel Muttermilch trinken oder gar zu dick werden. Selbst wenn es Phasen gibt, in denen dein Säugling eher einem kleinen Sumo-Ringer gleicht, so wird sich schon bald eine sehr aktive Phase des Robbens, Krabbelns und Laufens anschließen, in der dein Kind viele Fettpölsterchen verbrauchen wird. Also mach dir keine Sorgen, dass du mit zu häufigem Stillen zu Übergewicht deines Kindes beitragen würdest. Das Gegenteil ist der Fall, so gibt es mehrere Studien, die zeigen, dass gestillte Kinder ein wesentlich geringeres Risiko haben, als Erwachsene an Übergewicht oder Adipositas zu erkranken.

Babys machen im ersten Jahr eine unglaubliche Entwicklung durch, sie verdreifachen ihr Geburtstgewicht, legen meist bis zu 30cm an Körperlänge zu und auch das Gewicht des Gehirns wird sich im ersten Jahr fast verdreifachen. Dafür sind jede Menge Nährstoffe notwendig.

Auch du hast daheim das schönste, klügste und tollste Baby, keine von uns möchte ein Durchschnittsbaby. Dass nun alle Babys in regelmäßigen Abständen Hunger haben, ist daher auch wenig einleuchtend, auch hierbei sind unsere Kinder Individuen mit individuellen Bedürfnissen. So variieren z.B. die täglichen Stillmahlzeiten, von Baby zu Baby zwischen 4 und 13, ebenso die Milchmenge pro Stillvorgang, die zwischen 50 und 250 ml liegen kann. Manche Säuglinge nehmen pro Tag fast die 3fache Milchmenge im Vergleich zu ihren Altersgenossen auf. Du siehst also, es kann keine feste Anleitung für dein Kind geben, wann es Hunger haben muss und wann nicht. Daher vertraue auf dein Gefühl, wann du die Brust anbietest und lass dich nicht von der Uhr oder von anderen Meinungen unter Druck setzen.

Viele Mamas werden auch oft mit der Aussage konfrontiert, die Bauchschmerzen und Blähungen der Babys in den ersten Monaten kämen vom häufigen Stillen. Das verursache doch Bauchweh, wenn die frische auf die schon anverdaute Milch im Magen treffe. Lass dich dadurch nicht ängstigen. Muttermilch hat eine extrem kurze Verdauungszeit, je nach Menge hat sie schon nach ca. 30 Minuten den Magen wieder verlassen. Und auch ein Blick zu Naturvölkern, bei denen die Babys getragen und oft freien „Zugriff“ auf die Brust haben und somit mehrmals pro Stunden stillen, zeigt keine vermehrten Verdauungsprobleme. Es besteht daher auch aus gesundheitlichen Gründen keinerlei Notwendigkeit für feste Stillabstände.

Und zu guter Letzt, möchte ich noch auf das Argument eingehen, die Brust werde als Schnullerersatz „missbraucht“. Hier reicht ein Blick in die Evolution, um zu sehen, dass die Brust eindeutig vor dem Schnuller da war und umgekehrt, der Schnuller als Brustersatz zur Entlastung der Mutter erfunden wurde. Daher, wenn es für dich passt und die Situation es für dich zulässt, dann darfst du natürlich auch das Saugbedürfnis deines Babys an der Brust stillen, denn auch dafür ist sie da. Das bedeutet oft weniger Mobilität, was du aber gerade zu Anfang als Anlass nehmen kannst, das Wochenbett zu genießen und einfach mit dem Kind an der Brust das Bett oder Sofa zu hüten und zu entspannen. Wenn die Anlegetechnik passt, dann verursacht auch das häufige oder lange Nuckeln an der Brust keine Schmerzen.

Du siehst, es gibt also keinen Grund, der häufigem Stillen entgegenspricht. So gerne wir uns auch an feste Strukturen halten oder nach Anleitungen suchen, um keine Fehler zu machen, das funktioniert in dem Fall nicht. Fehler lassen sich am besten vermeiden, indem du auf dein Gefühl vertraust, auf dein Kind und eure Beziehung zueinander, die niemand so gut kennt wie du. Lasse dir kein schlechtes Gewissen machen, wenn du noch keine festen Stillabstände hast, dein Baby länger oder häufiger trinkt als andere Kinder. Dabei nimmt es keinerlei Schaden, im Gegenteil wird es davon profitieren. Und auch du hast es in vielen Situationen, gerade zu Anfang, wesentlich leichter, deinem Kind die All-Inclusive Lösung mit der Brust zu bieten.

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